Stadtwerke Wolfhagen GmbH

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Preisträger in der Kategorie Utilities & Stadtwerke 2015

Stadtwerke Wolfhagen

Wolfhagens konsequenter Weg zur dezentralen und erneuerbaren Energieversorgung. 2008 beschloss Wolfhagen, bis 2015 im Jahr regenerativ vor Ort so viel Strom zu erzeugen, wie in der Stadt verbraucht wird. Ein Auftrag für die Stadtwerke, die im Rahmen einer Gesamtstrategie auf innovative technische und kommunikative Maßnahmen sowie eine weit reichende Einbindung der Bürger setzen:

1. Ein aktiver Bürgerdialog sowie ein einmaliges genossenschaftliches Beteiligungsmodell, das aus Stromkunden Miteigentümer macht. Sie sind direkt an den Stadtwerken und deren Erzeugungsanlagen beteiligt. Heute gehört der BürgerEnergieGenossenschaft Wolfhagen eG ein Viertel der Stadtwerke Wolfhagen GmbH. 75 Prozent sind weiter im Besitz der Stadt Wolfhagen.
2. Die Errichtung eines Solar- und eines Windparks. Beide erzeugen fast drei Viertel des jährlichen Strombedarfs – rund 38 Millionen Kilowattstunden im Jahr. Als Stromproduzent, Netzbetreiber und Lieferant ist der Wolfhager Versorger ein integriertes Stadtwerk, das im Gegensatz zu vielen anderen die Teilbereiche der Versorgung integriert betrachten kann.
3. Der integrierte Blick zeigt Wege auf, die Herausforderungen beim Umbau des Energiesystems zu meistern. Die Stadtwerke Wolfhagen arbeiten daran, die Stromnachfrage in den Haushalten weitgehend an die fluktuierende regenerative Erzeugung anzupassen. Mit preislichen Anreizen in einem zeitvariablen Tarifsystem sowie hohem Bedienkomfort der eingesetzten Haushaltsgeräte fördern die Stadtwerke die notwendigen Verhaltensänderungen. Aktuell testen 35 Haushalte dieses „Demand Side Management“.

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Dossier mit kaufmännischen und technischen Eckdaten

Für die Treffen mit den Kollegen anderer Stadtwerke, die am dena-Projekt beteiligt sind, fährt Eckardt schon jetzt regelmäßig nach Bamberg. Oft mit einem motorradähnlichen neuen E-Bike. Zwei davon hat das Stadtwerk für 20.000 Euro angeschafft, damit die Rödentaler sie zu Testzwecken kostenlos ausleihen können. Als dessen Chef sei er auch „oberster Werbeträger“, meint Eckardt und will mit gutem Beispiel vorangehen. Mit Dienst-BMW könnte er die Strecke doppelt so schnell zurücklegen. Aber einfach kann ja jeder.
Damit auch die Bürger sich über solche Vorteile informieren können, finden regelmäßig Führungen im Werk statt, die Eckardt manchmal persönlich leitet. Aber nicht nur die Rödentaler Bevölkerung interessiert sich für die neue Anlage, sondern auch die Deutsche Energie-Agentur (dena). Sie will bis Ende 2014 entscheiden, ob die Kläranlage Bestandteil eines „Smart Grids“ werden könne, das die Stabilität des bayerischen Strom-netzes stärken soll. Konkret hieße dies, dass die Mikrogasturbinen des Stadtwerks ausschalten, wenn viel Solar- und Windstrom aus dem Netz zur Verfügung steht und im Gegenzug einschalten und Strom ins Netz einspeisen, wenn die Sonne nicht scheint und wenig Wind weht.
Die teuerste Investition aber war eine gigantische Fruchtpresse. 850.000 Euro kostete die Anlage, die Eckardt aus der Schweiz importierte. Der Gedanke dahinter: Wenn so eine Anlage aus Äpfeln Saft herauspressen kann, müsste sie doch auch Wasser aus feuchtem Klärschlamm herausbekommen können. Den lieferte das Stadtwerk bislang an ein Heizwerk, das sich das aufwendige Verbrennen gut bezahlen lässt. Der Schlamm, der nun nach dem Pressvorgang im drei Kubikmeter großen Stahlzylinder der neuen Anlage übrig bleibt, besitzt jedoch nur noch einen Wasseranteil von 69 Prozent. Und nach einem weiteren Durchlauf im ebenfalls neuen Solartrockner hat er sich in eine trockene Substanz verwandelt, die nur noch zu 25 Prozent aus Wasser besteht und sich deutlich besser verbrennen lässt. Entsprechend brauchten die Rödentaler bereits im ersten Betriebsjahr 85.000 Euro weniger an das Heizwerk zu bezahlen. Eckardt will das Verfahren so perfektionieren, dass der Brennwert des Schlamms dem von Braunkohle entspricht. Dann wäre dieser eine begehrte Ware, und aus dem Kunden Stadtwerk würde ein Verkäufer Stadtwerk.
Das neue Werk ist nun schon von Weitem an seinem Gasbehälter zu erkennen, der bis zu 5000 Kubikmeter Faulgas speichern kann, das vom Klärschlamm abgesondert wird. Dieses Volumen machte es in Kombination mit zwei ebenfalls neu angeschafften Mikrogasturbinen möglich, die Gase besser zu verwerten. Statt diese direkt zu verbrennen und in Wärme umzuwandeln, kann das Stadtwerk das Gas nun speichern und damit Strom erzeugen. Das Ergebnis: 2013, im ersten vollen Betriebsjahr der Kläranlage, produzierten die Turbinen 147.000 Kilowattstunden Strom und deckten damit ein Fünftel des Eigenbedarfs ab. Für das Stadtwerk bedeutet dies 44.000 Euro niedrigere Stromkosten, für die Umwelt eine CO2-Entlastung von jährlich 91 Tonnen.
Michael Eckardt hätte es sich leicht machen können. Als der Chef der Rödentaler Stadt-werke 2006 entscheiden musste, wie er die veraltete Kläranlage seiner Gemeinde erset-zen will, hätte er einfach eine neue gleicher Bauart bestellen können. Schon die hätte 6,5 Millionen Euro gekostet – viel Geld für das Stadtwerk der 14.000-Einwohner-Gemeinde nahe Coburg. Schließlich beträgt der gesamte Jahresumsatz gerade mal 17 Millionen Euro. Aber Eckardt entschied sich für einen anderen Weg und legte noch einmal 1,7 Millionen Euro drauf – für ein völlig neues Konzept, das sich nicht nur ökologisch, sondern auch wirtschaftlich rechnen soll.