HHS Planer + Architekten AG

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Nominiert in der Kategorie Smart Home 2015

HHS Planer + Architekten AG

In Frankfurt am Main entsteht bis Ende Juli diesen Jahres das Aktiv-Stadthaus der Wohnungsbaugesellschaft ABG FRANKFURT HOLDING. In der Speicherstraße 20-26 haben HHS Planer+Architekten aus Kassel die Herausforderung angenommen, in zentraler Lage das aktuell erste und größte innerstädtische Mehrfamilien-Wohnhaus im Effizienzhaus-Plus-Standard zu errichten.

In diesem, durch die Forschungsinitiative Zukunft Bau des Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) geförderten Forschungsprojekt, sollen die bisherigen Erkenntnisse im Maßstab von Einfamilienhäusern erstmals auf einen großmaßstäblichen Geschosswohnungsbau mit 74 Wohneinheiten übertragen und auf ihre Umsetzbarkeit geprüft werden.
Zielsetzung ist es durch eine optimierte Dämmung der Gebäudehülle und automatische Lüftungsanlage einen möglichst geringen Energiebedarf zu schaffen.

Im Gegenzug wird durch Wärmerückgewinnung in einem nahegelegenen Abwasserkanal die nötige Energie für Fußbodenheizung und Warmwasser erzeugt. Das Gebäude gewinnt 300.000 Kilowattstunden Strom pro Jahr über rund 770 PV-Module (Wirkungsgrad 20 Prozent) auf einem 1500 Quadratmeter großen Pultdach und über 348 Module, welche auf rund 900 qm Fläche auf der Südseite fassadenintegriert angeordnet sind.

Der Strom aus „eigener Produktion“ wird in einem großen Akku im Keller des Hauses gespeichert. Dieser Puffer mit rund 250 Kilowattstunden Speicherkapazität dient dem Ausgleich von Angebot und Nachfrage an Elektrizität innerhalb des Gebäudes. Überschüsse fliesen darüber hinaus in Elektrofahrzeuge, die direkt im Hause über ein Carsharing Unternehmen gebucht werden können. Den Überblick bekommt der Mieter über einen Tablet PC, mit dem jede Wohnung ausgestattet ist.

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Dossier mit kaufmännischen und technischen Eckdaten

Der umtriebige Architekt hofft, dass sein Beispiel Nachahmer findet. Deutschlandweit, so schätzt er, gebe es keine Hundert alte Häuser, die auf Passivhaus-Standard gebracht worden sind. „Viel mehr Planungsbüros und Architekten sollten sich da herantrauen“, sagt Matzig. Sein erster Gedanke, wenn er ein altes Haus sieht, lautet jedenfalls: Sanierung.
Dafür wohnen die Matzigs nun in einem Musterbeispiel für Energieeffizienz. Obwohl das dreigeschossige Haus mit Keller insgesamt 440 Quadratmeter umfasst, betragen die jährlichen Stromkosten im Schnitt gerade mal 1600 Euro. und der durchschnittliche Jahresverbrauch für die Innenfläche 15,7 Cent pro Quadratmeter. Das umfasst Heizung, Warmwasser und den Betrieb sämtlicher Haus- und Arbeitsgeräte. Vor der Sanierung lagen die Energiekosten mit 320 Kilowattstunden mehr als 20-mal so hoch. Und Gas oder Heizöl braucht Matzig überhaupt nicht.
Der hochwertige Umbau kostete trotz teurer Fenster mit Isolierverglasung und Rahmen aus Holz-Alu beziehungsweise Holz-Karbon sowie einer ungewöhnlich geschwungenen Außentreppe aus Stahl und zwei hölzernen Anbauten nur 700.000 Euro. Ein Neubau mit derselben Wohnfläche wäre unter 950.000 Euro kaum machbar gewesen.
Dach und Treppenhaus erneuerte er komplett. Das Innere des Hauses ließ er in den Rohzustand versetzen, dann Stahlgerüste einziehen und ausbetonieren, dann überall großzügig Dämmstoffe anbringen – beim Fundament bis zu 1,25 Meter unterhalb des Straßenniveaus. Das war die Basis für die Luftdichtheit, durch die ein Haus weitgehend ohne Wärmezufuhr auskommt. Als Heizreserve reichte eine Fußbodenheizung, deren Rohre mit einem Meter Abstand deutlich weiter gezogen wurden als die üblichen 15 Zentimeter. An der Decke wurde Platz gelassen für eine Belüftungsanlage, ebenfalls zentraler Bestandteil für niedrige Energiekosten.
Matzig wusste beispielsweise, dass sein Haus nicht wie viele andere in den 70er- oder 80er-Jahren grundlegend renoviert wurde. Darum blieb ihm erspart, umweltschädigende Kleber zu entfernen, die in dieser Zeit gern eingesetzt wurden, die es aber in den 50er-Jahren noch nicht gab. Ebenso erkannte er, dass er den Außenputz nicht abschlagen lassen musste. Es reichte, 26 Zentimeter dicke Mineralwolle als Dämmstoff aufzubringen, die mit Zementfasertafeln oder unbehandeltem Lärchenholz abgedeckt wurde. Vorher verkleinerte Matzig die Fensterfläche an der Nordseite des Gebäudes um die Hälfte und verfünffachte sie an der Südseite, um mehr Sonnenlicht hineinzulassen.
Nur Roland Matzig sah es anders: „Ein Haus abzureißen – das ist Energieverschwendung.“ Zumindest, wenn es anders geht. Und er weiß: Oft geht es anders. Schließlich leitet er ein Architekturbüro, das sich auf Passivhäuser spezialisiert hat – auf Häuser, deren Heizwärmebedarf nicht über 15 Kilowattstunden pro Quadratmeter liegt. Ob ein altes Haus das Potenzial dafür birgt, könnte ein Experte auch ohne Deckenbohrungen und Wandschlitze im Vorfeld prognostizieren.
Abriss. Das war das erste Wort, das die Matzigs hörten, wenn sie über das Haus sprachen, das sie 2008 für 250.000 Euro im Mannheimer Stadtteil Almenhof gekauft hatten. Sanierung? Bei einem Fundament aus den 30er-Jahren und Mauern aus den 50ern? Was für eine Energieverschwendung. Schließlich hatten Häuslebauer in jenen Jahrzehnten andere Sorgen, als sich um eine gute Isolierung zu kümmern. Man war sich einig: Abriss und Neubau wären die Lösung. Das sei billiger, schneller und besser zu kalkulieren.