Nominiert in der Kategorie Utilities & Stadtwerke 2015

Grundgrün Energie

Mit „Grundgrüner Strom Index Spot“ bietet Grundgrün leistungsgemessenen Kunden ein intelligentes Ökostromprodukt, mit dem Stromkosten durch Flexibilisierung des Verbrauchs gesenkt können.

Der Strompreis des Kunden ist an den Börsenpreis gekoppelt. Das plattformbasierte, digitale Produkt multipliziert den viertelstündlich registrierten Verbrauch des Kunden mit dem jeweiligen Stundenpreis der Day-Ahead-Auktion der EPEX. Das täglich aktualisierte, automatisiert verschickte Prognosetool informiert den Stromkunden über die Börsenstrompreise des Folgetages. Auch kleine und mittlere Unternehmen können so einfach aktives Lastmanagement betreiben: Produktionsprozesse werden, wo möglich, in die Zeiten mit günstigen oder gar negativen Strompreisen geschoben.

So fördert „Grundgrüner Strom Index Spot“ die wirtschaftlich sinnvolle Interaktion zwischen dezentraler Erzeugung mit hohem Dargebot und flexiblen Verbrauchern durch einen starken wirtschaftlichen Anreiz.

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Dossier mit kaufmännischen und technischen Eckdaten

In den Projekten will HSE aber nicht nur erfahren, wie sich neue Energien auf das Stromnetz auswirken, sondern auch, ob sich das Verhalten der Kunden ändert. Bei „Web2Energy“ wurden darum in 200 Testhaushalten Smart Meter mit Ampelsignalen eingerichtet. „Grün“ bedeutete, dass Strom gerade billig und es somit ein guter Zeitpunkt ist, energieintensive Haushaltsgeräte einzuschalten. Das Resultat der Ampeltests: Die Testfamilien passten ihr Verhalten so an, dass sie ihren Stromverbrauch im Schnitt um zehn bis 20 Prozent senken konnten. Eine Testfamilie brachte es sogar auf 40 Prozent. Ergebnisse, die zeigen: Man ist auf dem richtigen Weg.
Und die Darmstädter forschen. In dem dreijährigen Projekt „Web2Energy“ schalteten HSE und Partnerunternehmen in einer Testregion erneuerbare Energiequellen mit Speichern und Abnehmern zu einem „virtuellen Kraftwerk“ zusammen. Beim Folgeprojekt „Well2Wheel“, das im Frühjahr 2013 startete, wurden zusätzlich Elektrofahrzeuge als mobile Stromspeicher in dieses virtuelle Kraftwerk einbezogen.
Aber der Darmstädter Weg steht auch für neue Produkte samt dazugehörigen Dienstleistern. So hat sich die Stromvertriebstochter En-tega mit knapp 400.000 Abnehmern von „grünem Strom“ als zweitgrößter Ökostrom-Anbieter Deutschlands etabliert. Die HSE-Tochter Medianet bietet mit einem eigenen Glasfaser- und Kupferkabelnetz ein Leistungsspektrum vom Internetservice über Sprachdienste bis hin zu Rechenzentrumsdienstleistungen an. Und die Tochter NATURpur Energie hat in den vergangenen Jahren 130 Photovoltaik-Anlagen auf hessischen Dächern aufgebaut.
Dieser Weg zeichnet sich zum einen durch Masse aus: Seit 2008 investierte HSE 850 Millionen Euro in erneuerbare Energieprojekte. Damit lag die Investitionsquote bei bis zu zehn Prozent des Umsatzes. Inzwischen besitzt das Unternehmen 14 Windparks – ganz als mobile Speicher oder zum Teil, darunter einen in Polen und sechs in Frankreich mit einer Gesamtleistung von 240 Megawatt. Weitere 36,5 Megawatt Nennleistung produzieren vier Solarparks sowie 128 Solaranlagen. 40 bis 50 Millionen Euro investiert HSE jährlich in Ausbau und Instandhaltung seiner 10.000 Kilometer Strom- und 2700 Kilometer Erdgasleitungen, schon heute wird dort Strom von 15 Windkraftanlagen und knapp 9000 Photovoltaik-Anlagen eingespeist. Und: Die durchschnittliche Ausfallzeit pro Jahr liegt mit elf Minuten deutlich niedriger als der Bundesschnitt von 15,3 Minuten.
Es waren große Worte, die HSE im Jahr 2003 verkündete. „Vorbild und Vorreiter für Deutschland“ wollte das neue Stadtwerk in Darm-stadt sein, das gerade aus einer Fusion des städtischen Stromversorgers HEAG und der südhessischen Gas- und Wasserversorgung entstanden war. Aber es blieb nicht bei Worten. Die Konsequenz, mit der HSE regenerative Energiequellen aufbaut und vermarktet, ist so eindrucksvoll, dass sich in der Branche dafür sogar eine eigene Bezeichnung durchgesetzt hat: „Der Darmstädter Weg“.

Nominiert in der Kategorie Utilities & Stadtwerke 2015

Netze BW

In Niederstetten im Nordosten von Baden-Württemberg trifft eine hohe volatile Einspeisung aus dezentralen Quellen wie Wind und Photovoltaik in einigen Teilen des Mittelspannungsnetzes auf einen hohen Energiebezug aus benachbarten Industriegebieten. Daraus ergeben sich insbesondere in Bezug auf die Spannungshaltung zunehmende Herausforderungen für die Netzplanung.

Im Pilotprojekt „NETZlabor Niederstetten“ sollen diese nach dem Motto „Köpfchen statt Kupfer“ gelöst werden. Durch dezentrale Technologien zur Spannungsregelung und Netzautomatisierung wird die bestehende Netzinfrastruktur optimal ausgenutzt, große Baustellen für Netzverstärkungsmaßnahmen können somit vermieden werden.
Netze BW setzt dabei auf bewährte und weiterentwickelte Automatisierungslösungen des Projektpartners Siemens.

Ein dezentraler Netzcontroller übernimmt die Überwachung und Steuerung von neun fernwirktechnisch erschlossenen Schwerpunktstationen im insgesamt 84 Ortsnetzstationen umfassenden Mittelspannungsnetz auf der Gemarkung Niederstetten. Gleichzeitig wird mit diesem Controller auch die Weitbereichsregelung von zwei in Deutschland erstmals eingesetzten Mittelspannungsstrangreglern aus dem Hause Siemens realisiert.

Dieses Gesamtsystem, welches aktuell aufgebaut und im Herbst 2015 in Betrieb genommen wird, ermöglicht es, die Energiewende im Verteilnetz effizient voranzutreiben. Es macht die Lastflüsse im Mittelspannungsnetz sichtbar, regelt das Spannungsniveau zur Einhaltung der gültigen Normen und ermöglicht es, Störungen noch schneller zu erkennen und vollautomatisch einzugrenzen.

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Dossier mit kaufmännischen und technischen Eckdaten

Die Ergebnisse aus Wildpoldsried waren überraschend: Es zeigte sich, dass das Strom-netz wesentlich größere Reserven besitzt als gedacht. Darum wird es nicht nur bald das weiterführende Projekt „Irene 2“ geben. Es stellte sich nämlich heraus, dass viele andere Netzbetreiber aus den Ergebnissen des ersten Projekts lernen wollten. So viele, dass die AÜW die Tochtergesellschaft Egrid gründeten, die die Betreiber nun bei ihren Projekten berät. Schließlich kann Rat von außen nie schaden. 
Zum anderen ließ er forschen. Das Dorf Wildpoldsried wurde zum Probanden für das Pilotprojekt „Irene“. Die 2500-Seelen-Gemeinde gilt als Deutschlands „Energiedorf“, weil sie mehr als das Fünffache ihres Eigenbedarfs an Strom mit regenerativen Energien erzeugt. Drei Jahre lang simulierten die AÜW in Wildpoldsried, welche Anforderungen auf das Management des Verteilernetzes zukommen, wenn die zwei Ziele der Bundesregierung für 2020 landesweit erreicht werden. Eins davon lautet: 35 Prozent des Stroms sollen aus erneuerbaren Energiequellen stammen. Weil als zweites Ziel im Jahr 2020 auf Deutschlands Straßen eine Million Elektroautos fahren sollen, stellten die AÜW darüber hinaus 50 Einwohnern Elektroautos zur Verfügung. Bei der Durchführung des Drei-Millionen-Euro-Projekts wurden die AÜW vom Bundeswirtschaftsministerium gefördert.
Eine entscheidende Frage jedoch war: Sind die Überlandleitungen der steigenden Ein-speisung dezentraler Energieerzeuger überhaupt gewachsen? Darum beschritt Lucke gleichzeitig zwei Wege. Zum einen werden die AÜW bis 2022 insgesamt 28 Millionen Euro in ihr Netz investieren, die Hälfte des Ausbaus ist bereits abgeschlossen.
Gleichzeitig entstanden für 120 Millionen Euro acht Solarparks mit einer Kapazität von rund 21 Megawatt. Darüber hinaus laufen Planungen für Pumpkraftwerke. Insgesamt haben die AÜW bereits mehr als 100 Millionen Euro in die Eigenerzeugung investiert. Das hat sich ausgezahlt: In Luckes Amtszeit verdoppelte sich der Umsatz der AÜW von 110 auf 220 Millionen Euro.
Ein Schwerpunkt war der Ausbau der Wasserkraft. Lucke investierte 55 Millionen Euro, mit denen er nicht nur zwei neue Werke plante, die derzeit gebaut werden, sondern auch bestehende Anlagen erneuerte. Etwas völlig Neues probieren die AÜW an einer Wehranlage eines ihrer Wasserwerke: Dort soll eine ins Wasser gelassene Miniturbine Strom produzieren. Sollte der Versuch erfolgreich sein, wäre das der Startschuss, die insgesamt 750 Wehranlagen im Allgäu zu Stromerzeugern auszubauen. Lag die Wasserkraftquote der AÜW bei Luckes Amtsantritt noch bei zehn Prozent, war sie 2013 bereits auf 16 Prozent gestiegen, 2014 soll sie die 20-Prozent-Marke überschreiten – eine Verdoppelung gegenüber 2004.
2004 wurde Lucke hier Chef. Zuvor hatte er als Unternehmensberater gearbeitet, und jetzt wandte er im neuen Job an, was er dort als Erfolgsrezept kennengelernt hatte. Erstens: strategische Fragen stellen. Konkret: „Wie wird die Energiebranche in zehn Jahren aussehen?“ Zweitens: externen Rat einholen. 2006 beauftragte Lucke darum Berater des Fraunhofer-Instituts, das Potenzial der AÜW auszuloten. Die zwei wichtigsten Ratschläge lauteten: einen radikalen Ausbau der Eigenerzeugung und den Ausbau des Stromnetzes.
Manchmal leidet Michael Lucke unter seiner eigenen Umtriebigkeit. Trotz der Hitze des Sommers 2014 arbeitete er oft bei geschlossenem Fenster, weil er sonst wegen des Bau-lärms draußen sein eigenes Wort nicht mehr verstanden hätte. Für den Lärm ist er selbst verantwortlich: Seit einigen Monaten lässt er in der Innenstadt von Kempten ein neues Laufwasserkraftwerk bauen, direkt um die Ecke von seinem Arbeitsplatz, den Allgäuer Überlandwerken (AÜW).

Preisträger in der Kategorie Utilities & Stadtwerke 2015

Stadtwerke Wolfhagen

Wolfhagens konsequenter Weg zur dezentralen und erneuerbaren Energieversorgung. 2008 beschloss Wolfhagen, bis 2015 im Jahr regenerativ vor Ort so viel Strom zu erzeugen, wie in der Stadt verbraucht wird. Ein Auftrag für die Stadtwerke, die im Rahmen einer Gesamtstrategie auf innovative technische und kommunikative Maßnahmen sowie eine weit reichende Einbindung der Bürger setzen:

1. Ein aktiver Bürgerdialog sowie ein einmaliges genossenschaftliches Beteiligungsmodell, das aus Stromkunden Miteigentümer macht. Sie sind direkt an den Stadtwerken und deren Erzeugungsanlagen beteiligt. Heute gehört der BürgerEnergieGenossenschaft Wolfhagen eG ein Viertel der Stadtwerke Wolfhagen GmbH. 75 Prozent sind weiter im Besitz der Stadt Wolfhagen.
2. Die Errichtung eines Solar- und eines Windparks. Beide erzeugen fast drei Viertel des jährlichen Strombedarfs – rund 38 Millionen Kilowattstunden im Jahr. Als Stromproduzent, Netzbetreiber und Lieferant ist der Wolfhager Versorger ein integriertes Stadtwerk, das im Gegensatz zu vielen anderen die Teilbereiche der Versorgung integriert betrachten kann.
3. Der integrierte Blick zeigt Wege auf, die Herausforderungen beim Umbau des Energiesystems zu meistern. Die Stadtwerke Wolfhagen arbeiten daran, die Stromnachfrage in den Haushalten weitgehend an die fluktuierende regenerative Erzeugung anzupassen. Mit preislichen Anreizen in einem zeitvariablen Tarifsystem sowie hohem Bedienkomfort der eingesetzten Haushaltsgeräte fördern die Stadtwerke die notwendigen Verhaltensänderungen. Aktuell testen 35 Haushalte dieses „Demand Side Management“.

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Dossier mit kaufmännischen und technischen Eckdaten

Für die Treffen mit den Kollegen anderer Stadtwerke, die am dena-Projekt beteiligt sind, fährt Eckardt schon jetzt regelmäßig nach Bamberg. Oft mit einem motorradähnlichen neuen E-Bike. Zwei davon hat das Stadtwerk für 20.000 Euro angeschafft, damit die Rödentaler sie zu Testzwecken kostenlos ausleihen können. Als dessen Chef sei er auch „oberster Werbeträger“, meint Eckardt und will mit gutem Beispiel vorangehen. Mit Dienst-BMW könnte er die Strecke doppelt so schnell zurücklegen. Aber einfach kann ja jeder.
Damit auch die Bürger sich über solche Vorteile informieren können, finden regelmäßig Führungen im Werk statt, die Eckardt manchmal persönlich leitet. Aber nicht nur die Rödentaler Bevölkerung interessiert sich für die neue Anlage, sondern auch die Deutsche Energie-Agentur (dena). Sie will bis Ende 2014 entscheiden, ob die Kläranlage Bestandteil eines „Smart Grids“ werden könne, das die Stabilität des bayerischen Strom-netzes stärken soll. Konkret hieße dies, dass die Mikrogasturbinen des Stadtwerks ausschalten, wenn viel Solar- und Windstrom aus dem Netz zur Verfügung steht und im Gegenzug einschalten und Strom ins Netz einspeisen, wenn die Sonne nicht scheint und wenig Wind weht.
Die teuerste Investition aber war eine gigantische Fruchtpresse. 850.000 Euro kostete die Anlage, die Eckardt aus der Schweiz importierte. Der Gedanke dahinter: Wenn so eine Anlage aus Äpfeln Saft herauspressen kann, müsste sie doch auch Wasser aus feuchtem Klärschlamm herausbekommen können. Den lieferte das Stadtwerk bislang an ein Heizwerk, das sich das aufwendige Verbrennen gut bezahlen lässt. Der Schlamm, der nun nach dem Pressvorgang im drei Kubikmeter großen Stahlzylinder der neuen Anlage übrig bleibt, besitzt jedoch nur noch einen Wasseranteil von 69 Prozent. Und nach einem weiteren Durchlauf im ebenfalls neuen Solartrockner hat er sich in eine trockene Substanz verwandelt, die nur noch zu 25 Prozent aus Wasser besteht und sich deutlich besser verbrennen lässt. Entsprechend brauchten die Rödentaler bereits im ersten Betriebsjahr 85.000 Euro weniger an das Heizwerk zu bezahlen. Eckardt will das Verfahren so perfektionieren, dass der Brennwert des Schlamms dem von Braunkohle entspricht. Dann wäre dieser eine begehrte Ware, und aus dem Kunden Stadtwerk würde ein Verkäufer Stadtwerk.
Das neue Werk ist nun schon von Weitem an seinem Gasbehälter zu erkennen, der bis zu 5000 Kubikmeter Faulgas speichern kann, das vom Klärschlamm abgesondert wird. Dieses Volumen machte es in Kombination mit zwei ebenfalls neu angeschafften Mikrogasturbinen möglich, die Gase besser zu verwerten. Statt diese direkt zu verbrennen und in Wärme umzuwandeln, kann das Stadtwerk das Gas nun speichern und damit Strom erzeugen. Das Ergebnis: 2013, im ersten vollen Betriebsjahr der Kläranlage, produzierten die Turbinen 147.000 Kilowattstunden Strom und deckten damit ein Fünftel des Eigenbedarfs ab. Für das Stadtwerk bedeutet dies 44.000 Euro niedrigere Stromkosten, für die Umwelt eine CO2-Entlastung von jährlich 91 Tonnen.
Michael Eckardt hätte es sich leicht machen können. Als der Chef der Rödentaler Stadt-werke 2006 entscheiden musste, wie er die veraltete Kläranlage seiner Gemeinde erset-zen will, hätte er einfach eine neue gleicher Bauart bestellen können. Schon die hätte 6,5 Millionen Euro gekostet – viel Geld für das Stadtwerk der 14.000-Einwohner-Gemeinde nahe Coburg. Schließlich beträgt der gesamte Jahresumsatz gerade mal 17 Millionen Euro. Aber Eckardt entschied sich für einen anderen Weg und legte noch einmal 1,7 Millionen Euro drauf – für ein völlig neues Konzept, das sich nicht nur ökologisch, sondern auch wirtschaftlich rechnen soll.